Marsopposition 2001
in unseren Breiten auf eine Webcam gebannt.
von
Andreas Bender Thomas Meier
erschienen in: STAR OBSERVER 10/2001 S. 84 - 87
MAGELLAN 4/2001 S.72 - 74
Obwohl die diesjährige
Marsopposition aus der Sicht der mitteleuropäischen Beobachter alles andere als
günstig war (-26° Deklination), versuchten wir den roten Nachbarplanet nicht
nur visuell zu beobachten sondern auch auf Video zu bannen. Normalerweise zählt
sich Andreas Bender eher zu den Deep Sky Beobachtern und den herkömmlichen
Astro-Fotografen. Aber angeregt von diversen Bildern von Ralf Gerstheimer [1]
war ihm klar, dass er einen neuen Weg einschlagen musste:
Den Weg der Astro-Videofilmerei per Webcam.
Die Vorteile waren schnell erkannt:
Das „Einfrieren“ der Luftunruhen aufgrund der kurzen Belichtungszeit und natürlich
die preiswerte Anschaffung einer Webcam im Vergleich zu einer astrotauglichen
CCD [2].
Es fehlte aber für erste Tests eine astrotaugliche Webcam mit 1,25“ Anschluss
und ein geeigneter Laptop zur Aufnahme. Er sollte über lange Laufzeit und
ausreichende Arbeitsgeschwindigkeit verfügen.
Der Zufall wollte es, dass bei unserem frisch gegründeten Heidelberger
Astro-Stammtisch viele verschiedene Interessen zusammenstoßen. Thomas Meier
besitzt genau das Equipment, welches fehlte - und er wollte gerne einmal einen
Blick durch ein C11 werfen! So kam es, dass eine Philips ToUCam Pro (PCVC 740K)
am Notebook und ein C11 auf einer CI700 Montierung zur Marsopposition
zusammentrafen.
Am Montag, dem 25.06.01 war es soweit: Der Abend schien sehr gut zu werden. Das Seeing
bei knapp 16° über dem Horizont sollte einigermaßen erträglich sein um
detailreiche Marsbilder aufzunehmen. Zudem war die geringste Entfernung vom Mars
gerade 3 Tage her und der Planet hatte seine maximale scheinbare Größe von
knapp 21 Bogensekunden erreicht! Wir trafen uns ca. 25km östlich von Heidelberg
in Meckesheim auf einer Anhöhe, welche in Richtung Süden optimale Bedingungen
aufweist. Da die Dunkelheit erst gegen 23 Uhr einsetzte und nochmals ein bis
zwei Stunden vergehen sollten, bis das optimale seeing erreicht war,
wussten wir, dass dies eine lange Nacht werden würde. Um 23 Uhr versuchten wir
unser Glück; wir stellten Mars das erste mal ein um ihn zu filmen. Dabei galt
es, die erste Hürde zu nehmen: Da der CCD-Chip der Webcam sehr klein ist und
sich somit nur wenige Bogenminuten Bildfläche ergeben, ist der Mars nicht so
schnell auf dem Monitor zu sehen wie man sich das wünscht.
Zusätzlich hat man das Problem der Fokussierung. Die bewährte Foucault
„Messerschneiden“ -Methode kann nicht angewendet werden, da der CCD-Chip
fest eingebaut ist und nicht wie ein Film nach dem Scharfstellen eingelegt wird.
Die besten Ergebnisse erzielten wir mit einer Scheiner Blende (Lochblende mit zwei Öffnungen) oder einer Hartmann Maske (Lochblende mit drei Öffnungen) [3] an einem hellen Stern z.B. Aldebaran. Trotz korrekter Fokussierung zeigte das Marsbild auf dem Monitor kaum Details, jedoch heftige, durch das seeing bedingte Bewegungen und starke Refraktionsfarbsäume aufgrund der starken Horizontnähe. Irgendwie war Andreas’ Begeisterung getrübt, aber uns war bewusst, dass pro belichtete Filmminute ca. 1 Stunde Nacharbeit am Computer folgen und sich erst dann die Ergebnisse der jetzigen Mühen zeigen werden! Darauf vertrauend produzierten wir an diesem Abend jeweils mit der originalen Webcam Software von Philips und der speziellen Astroaufnahmesoftware VEGA von Colin Bownes [4] ca. 800MB Videodaten. Als Belichtungszeiten der Aufnahmen wählten wir zum einen die längstmögliche des Treibers (1/25s) und alternativ die durch hohe Verstärkung bei erträglichem Hintergrundrauschen kürzestmögliche von 1/100s. Ferner variierten wir die Bildfrequenz zwischen einem Bild pro Sekunde bis zur höchstmöglichen, von der Belichtungszeit abhängigen Bildrate. Die Videodateien wurden auf CD gebrannt und Andreas zur weiteren Bearbeitung übergeben.
Jetzt stellte sich heraus, ob die Aufnahmen erfolgreich waren. Zuerst musste das Videomaterial gesichtet und die erfolgversprechenden Sequenzen in das Windows Bitmapformat BMP umgewandelt werden. Die besten Einzelbilder wiesen eine Aufnahmesequenz mit kurzer Belichtungszeit und hoher Bildrate auf. Hierzu verwendete ich die Freeware avi2bmp [5]. Eine gleichzeitige Filterfunktion ist ebenfalls möglich, um stark verzerrte Bilder auszusortieren. Ich verwendete eine Frame-Toleranz von 20-30%. Das Programm arbeitet automatisch und speichert die BMP-Dateien mit Namen in numerischer Reihenfolge in einen frei wählbaren Ordner. Schnell erkannte ich dabei, was es bedeutet, keinen leistungsstarken Rechner zu besitzen: Mein Pentium I mit 166 MHz und 64MB RAM benötigte geschlagene 4 Stunden, um eine Filmsequenz von ca. 400 Bildern zu prüfen und in Dateien umzuwandeln! Diese Zeit sollte man zusätzlich zur Bearbeitungszeit einkalkulieren...
Als zweiten Schritt erfolgte das
sogenannte „stacken“ (Aufaddieren) der Bilder zu einem Komposit,
damit das Rauschen der einzelnen Bildpunkte gemittelt und somit eliminiert wird.
Hierfür gibt es zwei geeignete Freeware Programme: ASTROSTACK [6] und
GIOTTO von Georg Dittié [7].
Ich entschied mich für das Programm GIOTTO, welches relativ einfach zu bedienen
ist. Zudem gibt es noch einen sehr schönen Online-Workshop [8] von Dirk Van
Uden dazu. Das Aufaddieren der
einzelnen, aus der Videodatei extrahierten BMP-Dateien zu einem einzigen
Bild erfolgte mit folgenden Werten:
1.) Die Rohbildqualität sollte automatisch auf Schärfe und Verzerrung mit einer Sortierrate (=Rate der als gut gewählten Bilder) von 25% gewählt werden
2.) Als Anpassmethode zum Zentrieren des Planetenscheibchen beim Aufaddieren verwendete ich „Helligkeitsschwerpunkt“
3.) Bei der Rohbildverarbeitung nahm ich noch die „RGB Korrektur“ hinzu um die Farbsäume durch die atmosphärische Refraktion zu minimieren
So eingestellt addierte GIOTTO aus den ca. 400 BMP Bildern nur noch 152 Bilder zu einem Komposit zusammen. Das resultierende Bild war absolut „kornfrei“ und sehr weich, aber leider kaum kontrast- und detailreicher!
Das erhaltene Bild wurde dann ebenfalls in GIOTTO mit den folgenden Werten maskiert und gefiltert:
1.) Im Bandpass verwendete ich „Gauss&Rect“ mit einem Rechteckanteil von 17%, einen „Gauss“ Tiefpassfilter und einen „Butterworthfilter“ als Charakteristik
2.) Die Filterwirkung stellte ich auf 200%
Andere Einstellungen sind je nach persönlichem Geschmack und Aufnahmequalität besser oder schlechter, der Phantasie oder der persönlichen Zeit am Computer sind keine Grenzen gesetzt.
Das erhaltene Marsbild gab mir nun endlich die so lang ersehnte Bestätigung, dass sich die insgesamt 6 Stunden Bildbearbeitung doch gelohnt hatten. Als ich etwas später von Thomas Meier das Ergebnis einer Marssimulation [9] erhielt, welches die sichtbare Marsoberfläche zu unserem Beobachtungszeitpunkt zeigt und tatsächlich frappierende Ähnlichkeiten mit dem selbst aufgenommenen Bild hat, war die Begeisterung grenzenlos!
Den allerletzten Schliff erhielt das Marsbild in Adobe Photo Shop, in dem ich zu 100% die Farbsäume der atmosphärischen Refraktion eliminierte.
Von diesem Ergebnis völlig überzeugt musste ich mir unbedingt eine eigene Webcam zulegen. Ich entschloss mich für die von Ulrich Beinert [2] verwendete Logitech Quickcam VC. Laut meinen Recherchen auf http://www.astronomie.de sind folgende Webcams für Planeten- bzw. Sternaufnahmen geeignet:
Logitech
Quickcam VC; Philips Vesta Pro 690K; Philips ToUCam und Philips ToUCam Pro.
Manche dieser Webcams sind nicht mehr im Handel erhältlich, aber man kann diese sehr günstig auf den Online Auktionen [10] ersteigern.
Ich selbst habe für knappe DM 50,- meine Logitech Quickcam VC ersteigert und von Thomas Meier einen passenden 1,25’’ Adapter angefertigt bekommen.
Eine weitere, sehr informative Internetseite über Astrophotografie per Webcam ist die Seite „QuickCam and Unconventional Imaging Astronomy Group – QCUIAG“ [11] von Dr. S. J. Wainwright mit ihrer ebenfalls sehr kompetenten Diskussionsliste.
Nachfolgende Bilder zeigen die unbearbeiteten, bearbeiteten und simulierten Bilder.
Für uns sind sie ein Anlass zum
Weitermachen und zur Freude auf den Winter mit seinen Gasplaneten. Inzwischen
haben wir auch sehr zufriedenstellende Ergebnisse an Sonne, Mond und Venus (auch
am Tag) erzielt. Erste Versuche vom Februar 2001 mit einem Meade ETX 125 zeigten
sogar vier Komponenten des Trapez im Orion-Nebel.
Insgesamt ist die Webcam-Astrophotografie eine kostengünstige Bereicherung
unseres Hobbys mit der Möglichkeit, Wolken- und Regennächte mit
Nachbearbeitung zu überbrücken.
Agenda:
[1] http://home.t-online.de/home/interarchiv-software/astro.htm
Videoastronomie mit einfachen Mitteln SuW 7;2001 S 582-583; Autor: Ralf Gerstheimer
[2] http://www.analemma.de „Die eigene CCD Kamera für 200 Mark“, Ulrich Beinert
[3] Erste Erfahrungen mit einer CCD-Kamera Magellan 3/2001 S. 70-71 von Martin Grabensteiner
[4] http://www.ncare.co.uk/qc/download.htm
VEGA ist ein Aufnahmeprogramm für Webcams in der Astronomie
(Freeware)
[5] http://avi2bmp.free.fr/
AVI2BMP
kann AVI-Videostreams in BMP-Bilder mit vorheriger Filterfunktion umwandeln, in
französischer und englischer Sprache
(Freeware)
[6] http://utopia.knoware.nl/users/rjstek/english/software/ ASTROSTACK - Bearbeitung von bmp und avi-Dateien, welche auffadiert werden können
(Freeware)
[7] http://www.videoastronomy.org GIOTTO -Weiterverarbeitung der bmp-Dateien: Umfassende Addier- Filter- und Maskierfunktionen
(Freeware)
[8] http://www.quickastro.de GIOTTO Workshop von Dirk Van Uden
[9] http://space.ipl.nasa.gov/
Solar System Simulator
(nur Online)
[10] http://www.ebay.de oder Online Auktionen
http://www.hood.de Online Auktionen
[11]
http://www.astrabio.demon.co.uk/QCUIAG/
QuickCam and
Unconventional Imaging Astronomy Group – QCUIAG
von Dr. S. J. Wainwright
Autoren
:
Andreas Bender Thomas Meier